"Wie konnte diese Frau nur so zum Elternabend erscheinen?" Ihr Haar war lang und ungepflegt. Ihre Hose und Jacke wiesen mehrere Flecken auf. Sie war sehr blass und ihre großen Augen waren rot unterlaufen. Ohne diese Frau wirklich zu kennen, bildete ich mir ein ich könnte sie in die Schublade "wie kann man nur" stecken. Mich darüber zu empören und mich für etwas Besseres zu halten schien mir angebracht. Nach dem Elternabend kam genau diese Frau auf mich zu. Sie fragte ganz höflich ob sie mich kurz stören dürfte und als ich bejahte sagte sie "Danke!" Ich verstand nicht und sie fuhr fort indem sie mir erzählte wie unsere Tochter ihrem Sohn immer etwas von ihrem Jausen-Brot abgab. Dafür wäre sie sehr dankbar, da ihr Sohn immer wieder sein Jausen-Brot vergas. Sie wünschte mir noch einen schönen Abend und ging weg.
Als ich am nächsten Tag mit unserer Tochter darüber sprach, erzählte sie mir die traurige Geschichte dieser Frau. Sie sei alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Ihr Mann habe die Familie wegen einer anderen Frau verlassen und sie würde viel weinen. Sie hätten wenig Geld und so konnte der Sohn auch nicht bei Klassenfahrten mitfahren. Mein Bild von dieser Frau veränderte sich schlagartig und ich war zutiefst beschämt. Wie stolz und eingebildet ich doch war. Wie unrecht ich dieser Frau doch tat. Ohne sie und ihre Geschichte wirklich zu kennen urteilte ich und steckte sie in eine Schublade weil sie nicht in mein perfektes Bild von einer Frau passte. Da hatte unsere Tochter mir einiges voraus.
Doch es dauerte nicht lange und ich tat es bei anderen Menschen wieder. Ich versuchte sie zu verändern damit sie in mein perfektes Bild passten. Ein Urteil hier, ein falsches Bild dort, solange bis Jesus mich davon befreite. Jesus befreite mich davon Menschen erst verändern zu müssen um sie anzunehmen und zu lieben. Er liebte mich frei, damals am Kreuz als er sagte: "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun." Jesus lehrte mich die Menschen so anzunehmen wie sie sind. Er lehrte mich sie mit seinen Augen zu betrachten. Sie zu lieben und zu respektieren. Ihnen beizustehen und sie zu verstehen. Schließlich hat auch er mich so angenommen wie ich war. Blind und taub. Stolz und eingebildet. Wütend und Krank.
Jesus sagt nicht: "Verändert euch damit euch Gott lieben kann." Oder: "Verändert euch damit euch Gott retten kann." Menschen die bereuen, von ihrem falschen Weg umkehren und sich von Gott verändern lassen tun dies nicht damit sie von Gott geliebt werden, sondern aufgrund dessen das Gott sie geliebt hat!!! Diese Liebe ist so radikal und regelrecht schockierend. Sie passt nicht in unser kleines menschliches Bild von Liebe. Sie sprengt all unsere Vorstellungen. Wir versuchen zu verstehen und können es doch nicht.
Jesus lebte es uns vor. Jesus ging genau zu den Menschen die als Abschaum der Gesellschaft galten. Zu den Sündern! Er aß mit ihnen, er sprach mit ihnen, er nahm sich ihrer an. Er liebte sie ohne aber!!! Er verkörperte die Liebe Gottes und liebte die Menschen frei. Er heilte sie indem er sie liebte. Im Licht seiner Liebe erkannten sie wie und wer sie waren. Dafür wurde er verfolgt, beschimpft, angegriffen, verurteilt, ausgepeitscht und schließlich gekreuzigt. Dafür das er bedingungslos liebte!!!
Die Liebe ohne "aber" zu dir und mir ließ ihn all das ertragen damit uns vergeben werden kann und wir mit Gott versöhnt werden. Damit wir Hoffnung haben, nicht verloren gehen in einer Gott-losen Welt. Einen Zufluchtsort haben in stürmischen Zeiten. Uns unendlich geliebt, gewollt und angenommen wissen. Damit unsere Wunden heilen. Wir unsere Feinde lieben können und Menschen die uns zutiefst verletzt haben vergeben können. Damit wir Frieden stiften, umarmen, trösten und einander annehmen können.
Gottes Liebe kennt kein "aber." Sie kennt keine Grenzen und Bedingungen. Sie ist nicht anklagend sondern ermutigend. Verstellt sich nicht und heuchelt nicht. Sie ist echt und aufrichtig. Die Liebe ohne "aber" befreit uns von unseren falschen Bildern, Schubladen-Systemen und Verurteilung. Von unserem Hass und der Wut auf uns selbst, Gott und die Welt. Wir werden ein Kind Gottes, frei um die Liebe des Vaters mit all unserem sein und haben zu erwidern.
Wenn Gott seine Liebe in unsere Herzen ausgießt beginnen wir zu erkennen wie unendlich groß und mächtig die Kraft seiner Liebe ist. Einer Liebe die kein "aber" kennt!
Schon damals, als wir noch hilflos der Sünde ausgeliefert waren, ist Christus zur rechten Zeit für uns gottlose Menschen gestorben.
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